„Natürliche Rasenmäher“ lassen die Steppenheide aufblühen


Ziegen auf der SteppenheideDie Entwicklung der Steppenheide am Kappelberg ist in vollem Gang. Anfang Dezember letzten Jahres wurde die Fläche unterhalb des Panoramawegs großflächig entbuscht. Ziel war es, der Steppenheide einen weiteren Teil der steilen, südexponierten Böschungen zurückzugeben. Diese „licht-, wärme- und kalkliebende Pflanzengemeinschaft hat hier“, wie eine Steintafel bezeugt, „einen ihrer schönsten Standorte im Stuttgarter Raum“.

Entstanden ist sie durch intensive Beweidung – tagtäglich wurde bis ins 19. Jahrhundert hinein das Vieh der umliegenden Dörfer auf die Gemeindeweiden der Anhöhen getrieben und abends zurück in die Ställe. „Wald“ in unserem heutigen Sinn gab es daher auf dem Kappelberg nicht. Der erste Landesvermesser Cassini wählte daher den exponierten Bergsporn 1760 wegen seiner Rundumsicht ins Rems- und Neckartal als zentralen Messpunkt für seine Dreieckskette Straßburg / Wien aus. Wie auf alten Karten und auf Gemälden zu sehen ist, gab es auch Anfang des letzten Jahrhunderts auf dem Kappelberg viel weniger Wald als heute. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde dann auch die Schafbeweidung aufgegeben, so dass sich Gehölze ausbreiten konnten. Am vorderen und am hinteren Kappelberg blieben zum Glück Bereiche der Steppenheide dank des unermüdlichen Einsatzes von NABU und Schwäbischem Alb-verein erhalten, die den Gehölzaufwuchs durch jährliche Pflegeeinsätze in Schach hielten. Am Steilhang hat sich dagegen im Lauf der Jahrzehnte ein dichter Gehölzbe-reich entwickelt. Das bedeutete Baumschatten und Gestrüpp statt Blütenpracht, bunten Schmetterlingen, Heuschreckenzirpen, Wildbienen mit so schillernden Namen wie Sand-Blattschneidebiene, Zauneidechsen oder Schlingnatter.

Die Wiederherstellung der Steppenheide hat dort nun den ersten Schritt genommen: die Gehölze wurden großflächig entfernt, damit wieder Sonne bis an die Erde kommt. 
Bei diesem Prozess wurde darauf geachtet, dass der Boden selbst nicht durch die Maschinen befahren wird, um ihn nicht zu beschädigen. Die Wurzeln der abgeschnittenen Gehölze verblieben im Boden, um den Hang zu festigen. Beim Entfernen der Gehölze kamen Felsen und Reste ehemaliger Weinbergmauern zum Vorschein – neue Aufenthaltsorte für die Sonnenanbeter Zauneidechse und Schlingnatter.

Damit möglichst viele Insektenarten von den Maßnahmen profitieren, wurde das Tot-holz, das sich im Laufe der Jahrzehnte unter dem Gebüsch ansammelte, Großteils auf der Fläche belassen. Es bietet so über lange Zeit Lebensraum und Nahrung. Auch einzelne Linden sowie Rosenstöcke wurden als wichtige Habitatstrukturen für Wildbienen stehen gelassen und als Blickfang für Erholungsuchende einige Baumgruppen und eine Kiefer mit ihrem malerischen Wuchs.

Bereits jetzt, im ersten Jahr nach dem Rückschnitt, ist zu erkennen, dass eine Vielzahl von Samen noch im Boden vorhanden war oder durch die Ziegen verbreitet wurde, die seit zwei Jahren am Kappelberg als „natürliche Rasenmäher“ eingesetzt werden. Wo bislang Gestrüpp vorherrschte, wachsen jetzt wieder Königskerzen, Sal-bei, Rotklee und weitere wichtige Nahrungspflanzen für Wildbienen. Im Lauf der nächsten Jahre wird sich dieser Wandel hin zu Steppenheide Stück für Stück vollziehen.
Die Steppenheide am vorderen Kappelberg steht als sogenanntes FFH-Gebiet (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) unter besonderem Schutz, der sich aus dem europäischen Artenschutz herleitet. Leider hat die Fläche insbesondere letztes Jahr aufgrund einer starken Beanspruchung durch Spaziergänger und andere Besucher gelitten. Da die Fläche aus Naturschutzsicht so wichtig ist, wurde bereits letztes Jahr ein provisorischer Zaun aufgestellt mit dem Ziel, die Besucherinnen und Besucher auf den zentralen Weg durch die Fläche, den Panoramaweg, zu lenken.
Dieser provisorische Zaun wird nun durch einen Festzaun ersetzt. Zum einen, um die Fläche noch eindeutiger zu schützen. Zum anderen, um die Beweidung mit den Ziegen zu erleichtern. Während der Beweidungszeit muss auch der Panoramaweg gesperrt werden, weil sonst der Steilhang nicht in die Beweidung einbezogen werden könnte. Außerhalb der Beweidungszeiträume kann man die Aussicht auf die Steppenheide und ins Neckartal aber weiterhin genießen.
Übrigens werden in Kürze die Ziegen zum ersten Beweidungsdurchgang 2021 anrücken – nachdem das Frühjahr dieses Jahr sehr lang auf sich warten ließ, ist der Aufwuchs jetzt so hoch, dass die Ziegen ihren Einsatz haben.