Solidarität statt Mitleid


Wenn auch mit einem Tag Verspätung, fand am vergangenen Mittwoch, 9. März, im Fellbacher Rathaus eine bewegende Veranstaltung zum Weltfrauentag statt. Die Gleichstellungstelle und der Gleichstellungsbeirat der Stadt hatten gemeinsam zu einem Themenabend über Afghanistan mit Vortrag in den Großen Saal des Rathauses eingeladen.

Oberbürgermeisterin Gabriele Zull stimmte mit ihrer Begrüßung emotional auf den Abend ein: „Der internationale Frauentag ist ein Tag, der eigentlich nicht notwendig sein sollte. Und doch machen uns gerade die Bilder der vergangenen Tage deutlich: Wir benötigen einen solchen Tag – dringend! Mal wieder fällt die Bilanz, die am 8. März gezogen wird, nicht positiv aus. Frauen sind auf der Flucht, Kinder traumatisiert und Familien nächtigen ohne Strom und Nahrung in U-Bahn-Schächten.“

Nicht weniger berührend war der gemeinsame Vortrag von Jama Maqsudi und Najia Ahmad. Jama Maqsudi, geboren 1952 in Kabul, lebt seit 47 Jahren in Stuttgart. Er ist Gründer und Vorsitzender des Deutsch Afghanischen Flüchtlingshilfeverein DAFV e.V. und Träger der Bundesverdienstmedaille. Er schilderte, wie sich die politischen Strukturen über die letzten Jahre in Afghanistan entwickeln haben. Afghanistan sei „künstlich zusammengewürfelt worden“, schilderte der Diplom Sozialökonom. Und weiter: „Diese Kolonialgrenze führt zur Beeinflussung durch die Nachbarländer.“ Die Leidtragenden der Machtübernahme durch die Taliban seien die Frauen, die immer wieder versuchten, sich mutig gegen die Unterdrückung zur Wehr zu setzen. Für die „mutigen Afghaninnen“ gab es spontan Zwischenapplaus vom knapp 100-köpfigen Auditorium.

Najia Ahmad knüpfte an die Ausführungen ihres Vorredners an und hatte vor, unter dem Titel „Frauen in Afghanistan“ die erschreckenden Lebensumstände unter denen Mädchen und Frauen in Afghanistan leben müssen, zu schildern. Angesichts der jüngsten Ereignisse in der Ukraine fiel ihr das offensichtlich alles andere als leicht. „Ich wollte was Kraftvolles sagen. Ich kann gar nichts sagen“, gab sie mit belegter Stimme zu und lies alle Anwesenden ein lautes „Warum?“ von Herzen mitfühlen. Die studierte Juristin führte trotz der bedrückenden Stimmung mit viel Witz und Herzlichkeit durch den Abend. Aber stellte auch sachlich fest: „Am 15. August 2021 – dem Tag der Machtergreifung durch die Taliban - wurde mein Vertrauen in die ganze Welt zerstört.“ Abschließend hatte die Erzählerin von „Ars Narrandi“, Frauenaktivistin, Brückenbauerin nur eine Bitte: „Reden Sie mit allen, die was bewirken können.“
Anneliese Roth, die Gleichstellungsbeauftrage der Stadt Fellbach, erkundigte sich, was zur Unterstützung getan werden könne. Die Antwort fiel ernüchternd aus: „Die Taliban sind schlimmer als vor 20 Jahren“, so Maqsudi. „Im Moment hilft nur die finanzielle Unterstützung, damit die Menschen dort über die Runden kommen.“
Ein Fünkchen Hoffnung verkörperte am Ende des Abends doch noch der Wunschbaum der Frauenunion Fellbach. Larissa Ott und Hülya Özen-Sattler verlasen die am Weltfrauentag gesammelten Wünsche der Fellbacher Frauen. Ein Wunsch war mit Abstand am meisten genannt: Frieden.

WeltfrauentagGruppenbild

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