Jugend in Zeiten von Corona


„Heute wollen wir unsere Blicke auf eine Altersgruppe richten, über die viel geschrieben und geredet wird, die aber selbst kaum zu Wort kommt: Die Jugendlichen.“ Mit diesen Worten eröffnete Sozialbürgermeister Johannes Berner den Tagesordnungs-punkt „Jugend in Zeiten von Corona“ in der öffentlichen Sitzung des Sozialausschusses am 21. September.

Um die Situation in Fellbach genauer zu verstehen, waren „Insider“ am Start, um in der Jugendsprache zu bleiben. Sie schilderten den Stadträten, was die Jugend während und auch noch nach dem Lockdown beschäftigte. Stadtjugendreferentin Silke Glamser hatte das Thema auf die Tagesordnung gebracht. Begleitet wurde sie von Streetworker Markus Klemisch (Mobile Jugendarbeit Fellbach) und von Polizeikommissar Maximilian Fuss, Jugendsachbearbeiter auf dem Fellbacher Polizeirevier. Beide schilderten eindrücklich die Erfahrungen, die sie während des Lockdowns und auch danach gesammelt hatten.

Das Unverständnis bei den Jugendlichen, wenn zum Beispiel zu große Gruppen aufgelöst werden mussten, habe spürbar zugenommen. „Ihr nehmt uns unsere Jugend weg!“, oder „Ich halte es daheim nicht mehr aus!“, seien die immer wiederkehrenden Beschwerden der jungen Leute gewesen. Diese Situationen seiden auch für die professionellen Ansprechpartner in der Jugendarbeit schwierig, denn „das Verständnis für die Jugendlichen ist ja da“, versicherte der Jugendsacharbeiter. Entladungen wie in der Stuttgarter Krawallnacht habe es in Fellbach aber nicht gegeben. „Die Jugendlichen waren unterm Strich immer einsichtig und verständnisvoll“, betonte Maximilian Fuss. Johannes Berner ergänzte diese Ausführungen aus Sicht des

Ordnungsamtes: „Rathaus und Polizei haben hier ein ausgesprochen gutes Verhältnis. Die Zusammenarbeit klappt wunderbar!“

Henry Preuss, der als Jugendgemeinderat die Sicht der Jugend schilderte, berichtete von der beängstigenden Stimmung während des Lockdowns: „Viele haben sich mit dem Lernstoff vor dem Abitur allein gelassen gefühlt,“ erläuterte Preuss, der hiervon selbst betroffen war. Und weiter: „Es war ein katastrophaler Verlust an Lebenszeit!“. „Trägheit und Phlegmatismus“ hätte sich bei Gleichaltrigen eingestellt. Etwas positives konnte er dennoch berichten: „Es gibt jetzt einen viel bewussteren Umgang mit den modernen Medien.“ Die Stadtjugendreferentin Silke Glamser und der Streetworker Markus Klemisch konnten einige Zahlen und Fakten ergänzen: In Fellbach gebe es etwa 40 sogenannte „Hotspots“ im öffentlichen Raum, an denen sich Jugendliche regelmäßig auf-hielten. Auffallend sei gewesen, dass zunehmend mehr Mädchen anzutreffen waren. Die Zahl der Jugendlichen im öffentlichen Raum habe sich insgesamt etwa verdreifacht. „Darunter sind auch Jugendliche aus anderen Stadtteilen. Auch aus Böblingen und Stuttgart kommen welche“, wusste Klemisch über seine Zielgruppe zu berichten. Die von ihm selbst entwickelte „Streetwork-App“, die auch bereits in anderen Kommunen zum Einsatz kommt, hat einen großen Teil dazu beigetragen, die Einsatzschwerpunkte im Stadtgebiet zu dokumentieren und daraus inhaltliche Schlüsse für die Arbeit zu ziehen.

Die Stadträte zeigten sich in der anschließenden Aussprache angetan über die aktive Herangehensweise und die gelebte Kooperation der beteiligten Stellen. Allerdings wurde die Frage aufgeworfen, ob die die bestehenden Maßnahmen ausreichten. Denn die Auswirkungen der Pandemie auf Kinder und Jugendliche seien noch nicht in Gänze absehbar. In Anlehnung an eine Untersuchung der Nationalen Akademie der Wissenschaft Leopoldina wurde darauf hingewiesen, dass bei betroffenen Kindern und Jugendlichen negative Effekte in den Bereichen Bildung, soziale Interaktion und sozial-emotionale Entwicklung zu verzeichnen seien. Körperliche Aktivitäten und das psychische Wohlbefinden hätten ebenfalls stark gelitten.

EBM Johannes Berner kam zum Schluss: „Wir müssen auch weiterhin geschützte Räume für junge Menschen bereithalten. Dazu brauchen wir spezialisierte Angebote und qualifiziertes Personal.“ Die Verwaltung werde sich Gedanken über ergänzende Angebote machen und sei für Anregungen aus der Mitte des Gemeinderats offen.