Der Mensch ist keine Ziffer und keine Statistik


OB Gabriele Zull gedenkt mit Angehörigen und Betroffenen den Opfern der Corona-Pandemie „Es war einsam“, so die übereinstimmende Meinung der Betroffenen beim Gedenken an die Corona-Pandemie. Die Stadt Fellbach hatte zusammen mit kirchlichen Vertretern am Sonntagabend, 27. Juni, zu einer kleinen Gedenkveranstaltung Angehörige und Betroffene auf das Gelände des Alten Friedhofs eingeladen. Es sei Zeit, innezuhalten, formulierte Oberbürgermeisterin Gabriele Zull.

„Seit Beginn der Pandemie blicken wir auf täglich gemeldete Infektionsziffern und Todeszahlen“, doch hinter jeder Ziffer stehe ein individuelles Schicksal, stehe Trauer, Einsamkeit und Leid, führte Gabriele Zull aus. Über 2330 Fellbacher haben sich in den vergangenen Monaten mit Corona infiziert, 41 von ihnen haben den schweren Verlauf der Krankheit nicht überlebt. „Sie alle werden fehlen!“ Wie dramatisch die Folgen der Pandemie in das Familienleben eingreifen, schilderten Catherine Legrand für die Angehörigen und Elisabeth Tete für die Genesenden. Die Konzentration auf die Zahlen würde das Mitgefühl für den Einzelnen oft in den Hintergrund drängen, so Legrand. Es gäbe keine Kategorie des Leids und auch keine Vergleiche. „Jeder leidet am meisten!“ Sie sprach stellvertretend für die Verstorbenen über das Ehepaar Brandner, die am 11. und 15. Januar 2021 an Covid verstorben sind. „Die Einsamkeit der Sterbenden ist Realität“, so Catherine Legrand.

„Eine Nacht hat unser Leben komplett verändert“, erklärte Elisabeth Tete. Eindrücklich schilderte sie die Hilflosigkeit und die Selbstzweifel, als ihr Mann mit schweren Krankheitssymptomen ins Krankenhaus kam. Er war nicht ansprechbar und sie konnte ihm nicht beistehen. „Unser Netzwerk, unsere Kinder und unser Glauben haben uns getragen“, führte sie aus. Diese Unterstützung hielt auch als sie selbst an Covid erkrankte und ins Krankenhaus kam. Beide Ehepartner kämpften um ihr Leben und konnten sich doch nur bedingt gegenseitig unterstützen. „Es ist knallhart, allein im Krankenhaus zu sein“, so Tete. Zwei Monate konnte sie nur mit ihrem Mann telefonieren. Sie haben die Krankheit bekämpft und überlebt. „Ich bin heute immer noch voller Respekt für den aufopfernden Einsatz der Pflegekräfte“, betonte Elisabeth Tete.

Welchen Belastungen das Pflegepersonal ausgesetzt war und auch immer noch ist, fasste Katrin Limberg zusammen. „Pflege kennt kein Homeoffice“, sagte Limberg, die für den Krankenpflegeverein Schmiden-Oeffingen arbeitet. Gerade zu Beginn seien die Fachkräfte oft auf Unverständnis gestoßen, wenn sie die Sicherheitsvorgaben einhielten. Das Wissen über den tödlichen Virus war noch nicht so verbreitet aber die „Einsamkeit schon da.“ Die Belastungen für die Pflegekräfte seien enorm. „1000de Kollegen arbeiten nicht mehr in diesem Beruf“, sagt Limberg. Zum einen seien sie selbst an Corona erkrankt oder sie hätten sich ein anderes berufliches Umfeld gesucht.

Auch bei der Jugend hat die Pandemie ihre Spuren hinterlassen. Vielleicht „jammern wir auf hohem Niveau“, fragte Henry Preuß. Doch aus einer kleinen Auszeit im Frühjahr 2020 wurde eine „nicht absehbare Zeit an Einschränkungen und Reglementierungen“, stellte der Jugendgemeinderat fest. Entscheidungen für Studium oder Ausbildung, der Start ins „neue Leben“ – alles verzögerte sich oder konnte nicht so vonstattengehen, wie erträumt. Es machte sich eine ungeheure Müdigkeit und Trägheit breit. Es fehle das, was das Leben ausmache, der soziale Kontakt! Das direkte Miteinander, „das für uns junge Menschen an erster Stelle steht“. Viele Jugendlichen kämpften gegen Depressionen und Verzweiflung – und Hilfe sei Mangelware, da die Therapien überlaufen seien. „Auch wir Jugendliche habe einen hohen Preis bezahlt“, ist sich Henry Preuß sicher.

Die vier Stimmen, die stellvertretend für viele standen, sprachen den Zuhörern aus dem Herzen und hinterließen einen bleibenden Eindruck.

„Wir wurden teils überrollt und haben versucht, zu helfen“, erzählte Markus Eckert, der für die Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen sprach. „Die Pandemie hat uns gezeigt, wie verletzlich wir sind“, stimmte auch Nada Arbach für die muslimisch Gläubigen zu. „Wir stehen alle als Menschen hier.“ Und Menschen benötigen Orte zur Trauer, „Orte, an denen wir loslassen können und an denen wir zur Ruhe kommen“, so Pfarrer Eckert. Dieser Ort könne beispielsweise der Alte Friedhof sein und auch der Baum, der zur Erinnerung an die Pandemie gepflanzt worden ist.

^
Download
^
Redakteur / Urheber
© Sabine Laartz (Stadt Fellbach)