Fellbach benötigt neue Gewerbeflächen


Fellbach ist ein starker Wirtschaftsstandort, der dynamisch wächst. Zwischen 2011 und 2019 nahmen die Arbeitsplätze vor allem in der Dienstleistungsbranche in der Stadt um 25 Prozent zu, das entspricht 5.000 Beschäftigen mehr. Gleichzeitig stagnierte die Gewerbeflächenentwicklung, was zu einer hohen Verdichtung der Arbeitsplätze in den bestehenden Gebieten geführt hat. Wie die Stadt in den kommenden Jahren strategisch planen sollte und welche Instrumente der Bodenpolitik dafür künftig notwendig sind, darüber haben die Stadträte in ihrer Sitzung am Dienstag, 18.05.2020, entschieden.  „Wir wollen die Unternehmen hier vor Ort unterstützen, Arbeitsplätze sichern und damit natürlich auch die Finanzkraft der Kommune sichern“, betonte Oberbürgermeisterin Gabriele Zull.

„Im Gegensatz zu anderen Kommunen ist in Fellbach die Kennzahl (Arbeitsplatz auf den Quadratmeter) deutlich höher als in anderen Kommunen“, fuhr Zull fort. „Doch dieses innere Wachstum ist ausgereizt und die Rückmeldungen der Unternehmen vor Ort ist eindeutig: Sie benötigen Flächen!“. Um eine Abwanderung der Unternehmen zu verhindern und ihnen Perspektiven zu bieten, aber auch für eine zukunftsfähige Weiterentwicklung der Gewerbestruktur, muss die Gewerbeflächenpolitik geändert werden.  Die Verteilung der Flächennutzung in Fellbach beläuft sich laut Statistischem Landesamt derzeit auf knapp 35 Prozent Verkehr und Wohnen. Vom Gewerbe genutzt werden davon rund sechs Prozent. Über die Hälfte des Gebietes sind landwirtschaftliche Flächen (53 Prozent), 11 Prozent sind mit Wald belegt.

Zu dem neuen strategischen Ansatz der Wirtschaftsförderung gehören eine vorausschauende Planung sowie die Entwicklung geeigneter Maßnahmen für eine aktive Bodenpolitik. Dafür bedarf es Flächenreserven, eine klare Zielrichtung, wie diese Flächen eingesetzt werden sollen sowie eine ausgleichende Strategie für die Innen- und Außenentwicklung. In einer ausführlichen Analyse hat die Prognos AG zusammen mit den Gemeinderäten und der Stadtverwaltung den Gewerbestandort Fellbach analysiert und bewertet. Miteinbezogen wurden auch Rückmeldungen aus der Region, aus anderen Kommunen und von Vertretern der Wirtschaft. Einen Bedarfskorridor zwischen knapp 25 und 45 Hektar sieht Tobias Koch von der Prognos AG in seiner Studie an Gewerbeflächen bis 2035 für Fellbach. Geeignete Flächen dafür seien etwa beim Rems-Murr-Center, bei der Bühlstraße, der Siemensstraße sowie dem Grund VI.

„Es geht dabei um ein maßvolles und qualitatives Wachstum entsprechend der Bedarfe“, erklärte Koch zur Gewerbeflächenentwicklung. Neben diesem Wachstum müsse aber auch die Innenentwicklung weitergeführt werden. Außerdem gehe es um die strategische Ausrichtung des Wirtschaftsstandorts durch einen möglichst effizienten und schonenden Flächeneingriff. Zu seiner Empfehlung gehören die Vorbewertung der Potenzialflächen sowie eine zeitlich gestufte Aktivierung (Intervalle 2025, 2030, 2035) und der Abgleich mit Boden-, Umwelt-und Naturschutz. Um der künstlichen Flächenverknappung und spekulativer Zurückhaltung entgegenzuwirken, setzen Verwaltung und Stadträte auf die neuen Instrumente der aktiven Bodenpolitik. Mit vier Gegenstimmen sprach sich der Großteil der Stadträte dafür aus. Die aktive Bodenpolitik sieht vor, bei der Entwicklung künftiger Baugebiete das sogenannte „Zwischenerwerbs- beziehungsweise Ankaufsmodell“ anzuwenden. Außerdem kann zur Sicherung städtebaulicher Entwicklungen vom Gemeinderat ein Vorkaufsrecht für die Stadt durch die Satzung festgelegt werden. Gleiches gilt bei der Nachverdichtung. „Mit dieser Entscheidung wird sich nicht sofort etwas ändern, doch ich bin überzeugt, wir schaffen die Basis für ein strukturiertes, transparentes Vorgehen, dass künftig die Basis für die Gewerbeflächenpolitik bilden wird“, schloss Zull.

Das heutige Problem sei schleichend erschwert worden, da in den vergangenen Jahren Gewerbe in Wohnen umgewandelt worden sei, meinte Stadtrat Richard Kauffmann (CDU). Auch bedeuteten mehr Arbeitsplätze auch mehr Wohnraum, was wiederrum jedes Jahr viel Geld koste. Dabei brachte er eine Obergrenze der Einwohnerzahl ins Spiel. Wie sein Vorredner und Berufskollege zeigte sich auch Stadtrat und Landwirt Peter Treiber (FW/FD) aufgeschreckt von einer Versiegelung von 45 Hektar. „Es gibt zum Glück auch andere Szenarien“, stellte er fest. „Mir ist es wichtig, dass Gewerbeflächen sparsam entwickelt werden.“ Für seine Fraktion sei es wesentlich, darauf zu schauen, welche Gewerbe sich ansiedeln würden, da etwa Logistiker viel Fläche bei weniger Personal bräuchten, während es bei Dienstleistern genau andersrum wäre. Wenn nichts passiere, werde die Wirtschaft ins Umfeld abwandern, war sich Andreas Möhlmann (SPD) sicher. Er plädierte dafür, Planungen nicht von der aktuellen Wirtschaftslage abhängig zu machen, weil man dann nichts in der Hand hätte, wenn man sich auf den Weg mache. „Der Fellbacher Standard beruht auf den sprudelnden Gewerbesteuern“, meinte Beate Wörner (Grüne). Wie zerbrechlich der wäre, führe die Coronapandemie deutlich vor Augen. Umwandlung bedeute auch immer ein Eingriff in das Ökosystem, merkte sie an. Außerdem verwies die Stadträtin auf die vergleichsweise kleine Gemarkung der Stadt.

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