Umwelt- und Klimaschutz: Bürger werden stärker einbezogen

Bilanz und weitere Planungen der Fellbacher Grünstrategie

„Wir verbinden hier Flexibilität, die neue Projekte zulässt, mit einem langfristigen Vorgehen in der Stadtplanung“, erklärte Oberbürgermeisterin Gabriele Zull.  „Grundlage dieser Strategie ist das Bewusstsein, dass wir uns noch aktiver und vor allem kontinuierlich für den Klima- und Umweltschuss einsetzen müssen.“ In der Gemeinderatssitzung am Dienstag, 2. Februar, wurden nun bisher umgesetzte Maßnahmen und weitere Planungen der Grünstrategie präsentiert.
 
„Die Folgen der Klimaveränderung sind für uns alle sichtbar“, betonte die OB unter anderem im Hinblick auf die geschädigten Bäume im Stadtraum. Die spielen bei der Grünstrategie eine zentrale Rolle. Denn: Um die positive Wirkung der städtischen Grünflächen zu verstärken, ist ihre Verbindung mit dem Landschaftsraum nötig. Für den Luftaustausch ist es wichtig, diese Gebiete westlich und östlich der bebauten Areale zu verknüpfen. „Deshalb werden in Fellbach bei geplanten Bau- und Sanierungsvorhaben die zentralen Straßenverbindungen durchgängig mit Baumreihen, nach Möglichkeit als Allee, gestaltet“, erläuterte Baubürgermeisterin Beatrice Soltys. Wenn es möglich ist, werden Lücken gefüllt und bereits vorhandene Bäume erhalten beziehungsweise bei Verlust ersetzt. Ein Beispiel dafür findet sich in der Fellbacher Straße: „Dort wird eine alternierende Baumpflanzung umgesetzt.“ Zum ersten Mal wurde dabei auf eine Mischung von Baumarten gesetzt, um bei Krankheiten oder Schädlingsbefall nicht den gesamten Bestand zu verlieren. Dass nun die Vorgehensweise geändert wurde – also abwechslungsreich und mit mehr Platz gepflanzt wird – stößt allerdings nicht immer auf Gegenliebe, wenn dafür etwa der Parkraum verkleinert werden muss.
 
Beim Baumbestand werden die negativen Auswirkungen der trockenen und windigen Sommer der vergangenen Jahre immer deutlicher. Die Stadt steuert dieser Entwicklung bereits entgegen, indem die Bäume wesentlich mehr gewässert, gedüngt und gepflegt werden. Es sind aber zunehmend Stadtortverbesserungen, Verjüngungsmaßnahmen und Erhaltungsschnitte nötig. Auch muss städtebaulich immer wieder zwischen geplanten Baumaßnahmen und Baumbeständen abgewogen werden. Lässt sich der Baum unausweichlich nicht erhalten, wird auch eine Großbaumverpflanzung in Erwägung gezogen, wie beispielsweise von der Cannstatter Straße in die Tournonstraße.
 
Ein weitere Schwerpunkt der Strategie: öffentliche Parks und Grünräume. „Diese bilden wichtige Klimaoasen im bebauten Bereich“, sagte Soltys. Sie sind sie essenzieller Lebensraum für Insekten, Vögel und Fledermäusen. Hierbei wird verstärkt auf das Anlegen von Blühwiesen gesetzt. „Entlang der Schorndorfer Straße wurden im Dezember auf rund 430 Quadratmetern Wiesenfläche circa 60.000 Blumenzwiebeln insektenfreundlicher Arten maschinell gesteckt“, berichtete Soltys. Eine weitere Maßnahme der Stadt zur Stärkung der Biodiversität war, dass insgesamt 14.000 Quadratmeter Wiesenfläche anders gepflegt werden. Hier wird eine extensive Bewirtschaftung angesetzt – also beispielsweise nur noch ein- bis zweimal im Jahr gemäht. Dadurch wird der Artenreichtum der Wiesen und folglich auch der Tierwelt erhöht. In diesem Jahr sollen 45.000 Quadratmeter Wiesenfläche mehr dazu kommen.
 
Vor allem bei privaten Grünflächen will die Stadt die Bürger bei der Grünstrategie mit ins Boot holen. Dafür gibt es in Kürze ein Beratungsangebot durch eine Fachplanerin. „Geplant sind, ähnlich wie bei der Energieberatung, feste Zeiten, zu denen die Interessierten ins Rathaus kommen können“, sagte die Baubürgermeisterin. In die Beratung können die Bürger mit Fotos oder Pläne ihrer Vorgärten kommen und erhalten dann Vorschläge für eine Bepflanzung – samt Kostenabschätzung.
 
Auch in der Bauleitplanung spielt die Grünstrategie eine wichtige Rolle. Die Stadt setzt beispielsweise auf Dachbegrünung und Regenwasserversickerung. Beides erfüllt wichtige ökologische Funktionen. „Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass mehr Ausgleich für die Eingriffe in Natur und Landschaft direkt am Eingriffsort stattfinden kann“, erklärt Soltys. Wo immer möglich werden diese Ausgleichsmaßnahmen in Fellbach nicht auf landwirtschaftlichen Flächen umgesetzt. Stattdessen wird unter anderem die Steppenheide durch eine umfangreiche Wiederherstellungspflege im Bereich der Steilkante und verwilderter ehemaliger Gartenflächen erweitert
 
Finanziell gesehen standen der Stadt für die Grünstrategie im vergangenen Jahr 150.000 Euro zur Verfügung. In diesem Jahr sind 133.000 Euro vorgesehen. „Ein schöner Anfang“, meinte dazu Stadtrat Jörg Schiller (CDU). Die Summe sei jedoch marginal, „für das was man tun sollte“. Auch Stadträtin Beate Wörner (SPD) sprach von einem guten Anfang, der weitergeführt werden müsse. „Ich persönlich freue mich sehr, dass Themen, die mich seit fast 50 Jahren begleiten, jetzt so umgesetzt werden.“ Gerade beim Thema Bauen und Grün plädierte sie allerdings dafür, dass im Bestand mehr gemacht werden könnte. So pochte sie auf „mehr Grün an den Fassaden“.
 
Allgemein pflichteten die Stadträte OB Zull bei, die anfangs betonte, „um wirklich voran zu kommen, benötigt der Umwelt- und Klimaschutz bei den Bürgern auch Akzeptanz, Engagement und Initiative“. Besonders das Thema Parkraum oder Grünfläche brannte den Mitgliedern des Gremiums unter den Nägeln. „Politisches Handeln“, forderte Sybille Mack (SPD). „Wir wollen nichts wegnehmen, sondern die Stadt für die Zukunft weitergestalten.“ Man müsse bei diesem Punkt für Akzeptanz in der Bürgerschaft werben, pflichtete Schiller bei, der es „schlimm“ findet, wenn um „jeden Parkplatz gekämpft“ wird.
 
Dass künftige Beratungsangebot zur Gestaltung des privaten Grüns kam bei allen Stadträten gut an. „Eine gute Startmöglichkeit“, meinte Franz Plappert (CDU). Tom Seibold (FW/FD) verspricht sich davon eine Motivation für die Bürger, um auf eine buntere Gartengestaltung zu setzen für mehr Artenvielfalt und Biodiversität. Dabei gehe es nicht nur darum, allein gegen Schottergärten vorzugehen, sondern die Monotonie aus den Gärten zu verbannen. Dr. Stephan Illing (Grüne) hofft, künftig keine Schottergärten mehr dadurch sehen zu müssen. Das Gremium werde künftig regelmäßig über die Pläne und Fortschritte der Grünstrategie informiert, sicherte Oberbürgermeisterin Zull zu. Sie bekräftige abschließend: „Die skizzierten Bausteine sind ein Anfang, die wir mit weiteren Modulen wie der neuen Fahrradstrategie, dem Einsetzen eines Umwelt- und Klimaschutz-Ausschusses oder der Erarbeitung einer Klimastrategie ergänzen. Aber es müssen weitere Projekte und vor allem auch private Initiativen folgen.“